„Wir werden mit Anfragen überschüttet”
Zum Schutz für Frauen und Kinder, die häusliche Gewalt erleben, ist in Aachen ein neues Frauenhaus eröffnet worden. Bundesweit fehlen weiterhin viele Plätze.
Von Emma Scheiris
Nachdem das Frauenhaus des diakonischen Werkes in Alsdorf im vergangen Jahr geschlossen werden musste, gibt es nun einen neuen Standort für das zweite Frauenhaus in der Region.
Bei der Eröffnungsfeier sagte Ye-One Rhie, SPD-Bundestagsabgeordnete, die Freude sei einerseits groß, ein neues Schutzhaus für Frauen bieten zu können. Andererseits dürfe nicht vergessen werden, dass im Fokus die Gewalt gegen Frauen stehe: „Der Bedarf an solchen Einrichtungen besteht leider weiterhin. Dieses Haus ist ein wichtiger Baustein, aber es ist auch ein Aufruf an uns alle, wachsam zu bleiben und weiterhin für den Schutz der Frauen vor Gewalt zu kämpfen.“
Das neue Frauenhaus in der Region bietet für bis zu neun Frauen und ihre Kinder einen Platz. Hier können sie psychologisch betreut werden und haben die Möglichkeit, Erlebtes zu verarbeiten und zur Ruhe zu kommen. Ihnen wird Beistand bei der Neuorientierung in ihrem Leben geleistet, etwa bei der Existenzsicherung oder Wohnungssuche.
Die Schutzeinrichtung ist aufnahmebereit für Frauen aus dem gesamten Bundesgebiet. Betroffene Frauen können sich entweder selbst an die Mitarbeiterinnen wenden oder werden über externe Fachberatungsstellen und die Polizei an die Einrichtung vermittelt.
Hilfsorganisationen am Limit durch hohe Nachfrage
Die Statistik zeigt, dass Gewalt in den meisten Fällen vom Ehepartner oder Lebensgefährten ausgeht. Zwei Drittel der Straftaten geschehen innerfamiliär. „Jeden Tag erleiden mehr als 700 Menschen in Deutschland häusliche Gewalt. Jeden zweiten Tag stirbt eine Frau durch Partnerschaftsgewalt“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei der Vorstellung des Lagebilds „Häusliche Gewalt“ im Juni. Überwiegend betreffe die häusliche Gewalt Frauen, 70,5% der Opfer seien weiblich und 75,6% der Täter männlich.
Es besteht also Notwendigkeit, Frauen Schutz- und Präventionsmaßnahmen zu bieten. Dass der Bedarf sehr groß ist, bestätigt auch Kerstin Palenberg, Koordinatorin des neuen Frauenhauses in Aachen. „Wenn wir der deutschlandweiten Frauenhaussuche melden, dass wir einen Platz zu vergeben haben, werden wir mit Anfragen regelrecht überschüttet. Es dauert keine halbe Stunde und der Platz ist belegt. Wir erhalten Anrufe aus ganz Deutschland.“
Gegenüber der Aachener Zeitung berichtete kürzlich auch die Beratungsstelle ,,Frauen helfen Frauen‘‘ von einer stetig steigenden Nachfrage. Die Anzahl der Fälle häuslicher Gewalt sei nicht mehr überschaubar. Im Jahr 2023 habe es 2108 Einzelberatungen gegeben, weshalb diese nun nur noch nach Terminabsprache erfolgen können.
Laut Angelika Gey von ,,Frauen helfen Frauen‘‘ braucht es deshalb schärfere Gesetze und strengere Strafen bei Gewaltdelikten an Frauen. Dieses Thema stand auch auf der Tagesordnung einer Innenministerkonferenz im Juni. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte im Anschluss: „Wir müssen die Gewaltspirale stoppen. Wir brauchen verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings, damit die Täter ihr aggressives Verhalten beenden und sich tatsächlich verändern. Dafür reichen strafrechtliche Konsequenzen und Kontaktverbote allein nicht aus.“ Neben solchen Anti-Gewalt-Trainings soll auch der Einsatz elektronischer Fußfesseln bei verurteilten Straftätern geprüft werden.
Doch längst nicht alle Fälle werden polizeilich gemeldet. Sie landen nicht in der Kriminalstatistik und natürlich auch nicht vor Gericht. „Die Herausforderung ist groß, insbesondere, weil so viel in den eigenen vier Wänden und unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert”, sagt Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“.
In diesem Zusammenhang wird derzeit die bundesweite Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag” durchgeführt. Sie betrifft die Bereiche Stalking, Partnerschaftsgewalt, sexualisierte Gewalt und digitale Gewalt. Martina Link, Vizepräsidentin des Bundeskriminalamts, sagt dazu: „Die Aufhellung des Dunkelfelds wird dabei helfen, Straftaten im familiären und partnerschaftlichen Umfeld in Zukunft besser zu erkennen und Präventionsangebote zielgerichteter zu adressieren”. Ergebnisse der Studie werden für 2025 erwartet.
Hier gibt es Hilfe:
Bundesweites Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen”: Rufnummer 116 016
Frauen helfen Frauen e.V. in Aachen: 0241 902416
Frauenhaus der Dakonie: 02404 91000
Frauenhaus des SkF: 0241 470450