Problempflaster Promenadenstraße

Published On: 11. Oktober 2024

Drogen, Obdachlosigkeit, Kriminalität: Die Lage im Gasborn-Suermondt-Viertel spitzt sich immer weiter zu, sagen Anwohner und Einzelhändler. Im Dialog mit der Verwaltung fordern sie, dass gehandelt wird.

Von Calvin Meyer

Die Situation rund um die Promenadenstraße ist angespannt. Müll auf den Straßen, offener Drogenkonsum und aggressiv bettelnde Obdachlose fallen beim Betreten des Viertels schnell auf. Doch für diejenigen, die hier leben und arbeiten, hört es damit nicht auf.

In einer Dialogveranstaltung im Lokal „Kiez Kini“ hörten sich vor einigen Wochen Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen sowie Vertreter von Verwaltung und Polizei die Sorgen und Beschwerden der Menschen im Viertel an.

Anwohner berichteten von Gewaltdrohungen durch Drogenabhängige, die fordern, ihnen Geld zu „spenden”. Abends würden direkt vor den Läden und Wohnungen Drogen konsumiert. Ladenbesitzer erzählten, dass Menschen mitten am Tag in die Läden eingedrungen seien und Kunden belästigt oder sogar angegriffen haben.

Abends würden teilweise direkt vor den Häusern Lagerfeuer gelegt, Einbrüche seien an der Tagesordnung. Wer ein Haus in der Promenadenstraße besitzt, müsse regelmäßig Reparaturkosten durch entstandene Schäden tragen.

Krise wird durch organisierte Kriminalität befeuert

Gesteuert wird die Szene im Viertel von Clan-Kriminellen. Drogen werden am örtlichen Kiosk verkauft, genau wie von Dealern an Straßenecken. Auf Geheimhaltung wird kein Wert gelegt, berichtete ein Ladenbesitzer: Am hellichten Tag seien Dealer in sein Geschäft gekommen und hätten Kunden Drogen angeboten. Als er daraufhin die Polizei rief, seien die Dealer ohne Eile weitergezogen.

Besonders Frauen fühlten sich im Viertel bedroht, berichteten die Anwesenden weiter. Viele trauten sich nicht mehr, die Promenadenstraße nach Sonnenuntergang zu betreten. Noch weniger Schutz gebe es für Prostituierte. Wie eine Anwohnerin erzählte, treffen sie sich schon in den frühen Morgenstunden auf Parkplätzen mit ihren Kunden. Die Frauen seien durch ihre Zuhälter regelmäßiger Gewalt ausgesetzt, auch auf offener Straße.

Die Situation sei ein großes Problem für die Läden und Lokale im Viertel. Lediglich durch Stammkunden und Nebenjobs halte man sich noch über Wasser, berichtete jemand. Kunden trauten sich kaum in das Viertel, hinzu kämen die ständigen Reparaturkosten. Einige, so auch das Kiez Kini, planen nach Ablauf der Mietverträge zu schließen.

Polizei und Ordnungsamt ernten scharfe Kritik

Ihren Frust über die Umstände haben die Bürger beim Dialog mit Verwaltung und Polizei klar kommuniziert. Der Umgang miteinander war emotional, aber respektvoll und konstruktiv. Das Viertel ist seit Jahrzehnten ein Hotspot für Probleme, doch in den letzten Jahren haben sich diese nach Wahrnehmung der Anwesenden verschlimmert. Dagegen sei jedoch kaum etwas getan worden, so die Bürger.

Die Polizei komme zwar immer und schnell, wenn man sie ruft – meist seien Täter dann aber schon verschwunden. Wird doch eine Festnahme gemacht, sei der Täter oft noch am gleichen, spätestens am nächsten Tag wieder vor Ort.

Auch die Verwaltung wurde scharf kritisiert. Mehrfach wurde der Stadt vorgeworfen, die Zustände in diesem Viertel zu billigen, damit das Problem hier lokalisiert bleibt. Man nehme „Ghetto-ähnliche Zustände“ hier in Kauf, während in anderen Vierteln Sauberkeit und Ordnung durchgesetzt würden.

Gegen diese Anschuldigungen sprach sich die Oberbürgermeisterin entschlossen aus. Auch die Polizei wies manche Kritik zurück, gestand aber Probleme ein.

Personalmangel ist das größte Problem

Aus Sicht der Ordnungskräfte bestehen drei große Probleme, die ihre Arbeit erschweren. Das wohl akuteste ist der Personalmangel: 27 Prozent aller Einsätze des Ordnungsamtes finden allein innerhalb des Gasborn-Suermondt-Viertels statt. Auch die Polizei hat einen überproportionalen Anteil ihrer Einsätze hier. Weitere Streifen einzurichten, sei zwar ein erklärtes Ziel, doch um tatsächlich den von Anwohnern geforderten Einsatz zu erreichen, fehlten schlicht Einsatzkräfte.

Zudem gebe es technische Hürden und strenge Datenschutzgesetze. So dürften Sicherheitskameras nicht rund um die Uhr filmen und auch das Verpixeln von Hauseingängen sei verpflichtend. Wenn dennoch eine Straftat aufgenommen wird, sei das Videomaterial oft unbrauchbar, weil Personen darin nicht identifiziert werden können.

Technischer Rückstand und Personalnot seien auch Probleme bei der Staatsanwaltschaft. Verfahren häuften sich dort schneller an, als sie abgearbeitet werden können – Verfahren würden oft eingestellt, ohne dass ein Urteil gesprochen wird.

Als drittes Problem nannten die Vertreter von Verwaltung und Polizei die Organisation der Kriminalität. Hinter dem vermeintlichen Chaos im Viertel steckt oft Methodik: Serientäter wüssten genau, wie sie rechtliche und logistische Schlupflöcher ausnutzen können. Wo und wann Kameras filmen, sei ihnen bekannt – ebenso, wie lange es vom Anruf bis zur Ankunft der Polizei dauert oder wie man sich gegenüber Polizeibeamten zu verhalten hat, um eine rechtmäßige Festnahme zu umgehen.

„Integriertes Konzept” soll Abhilfe schaffen

Sibylle Keupen und Sozialdezernent Thomas Hissel, der zuvor bei der Stadt Düren tätig war und dort eine ähnliche Problemlage erlebt hat, zeigten Verständnis für die Ungeduld der Anwohner. Mit einem ganzheitlichen Ansatz und innovativen Maßnahmen will die Verwaltung die Probleme im Viertel, aber auch in der Innenstadt insgesamt, angehen.

Dafür hat die Verwaltung ein „Integriertes Konzept für Attraktivität und Sicherheit“ entwickelt. Das Konzept wurde in einer Sondersitzung des Bürgerforums vorgestellt und am Mittwoch, 9. Oktober, im Stadtrat beschlossen.

Die Verwaltung setzt auf eine Mischung aus sozial- und ordnungspolitischen Maßnahmen. Beim Dialog im Kiez Kini erntete sie damit Zuspruch und Skepsis zugleich. Dass die Stadt das Gespräch sucht und Lösungsansätze erarbeitet, wurde positiv aufgenommen – damit habe die aktuelle Verwaltung schon mehr unternommen als ihre Vorgänger, merkte jemand an.

Doch bei vielen Anwesenden war die Resignation deutlich zu spüren: Was jetzt anläuft, kommt in ihren Augen zu spät.

 

Bild: Stadt Aachen / Andreas Herrmann