✅ Reaktionen auf die Ökogas-Recherche

18. April 2024

Gemeinsam mit der Stadt Aachen geht die Stawag die Wärmewende an. Auf unsere Berichterstattung reagiert der Energieversorger mit einer Prüfung des Ökogas-Tarifs.

 

Von Alexander Plitsch

Gemeinsam mit CORRECTIV.Lokal und anderen Lokalmedien haben wir die Mängel vieler Ökogas-Verträge aufgezeigt. Gasversorger, auch die Stawag, bewerben ihre Verträge als „klimaneutral“ – doch dieses Versprechen kann nicht eingelöst werden. Eine neue EU-Regularie soll künftig solche Werbeversprechen unterbinden.

Hinzu kommt, dass viele der zur Kompensation der Emissionen genutzten CO2-Zertifikate gar nicht zur Kompensation geeignet sind oder weniger CO2 einsparen als angegeben.

Jörg Bogoczek, Mitglied der Fraktion DIE Zukunft/Volt im Aachener Stadtrat, sieht darin ein Problem: „Möchte man die Emissionen ausgleichen, müssen die dafür genutzten Projekte auch tatsächlich gleich viele Treibhausgase binden, wie ausgestoßen werden, um ein Produkt als global klimaneutral verkaufen zu können.“ Seine Fraktion fordere deshalb die Stawag dazu auf, den Vorwürfen genau nachzugehen und entsprechend Konsequenzen zu ziehen.

Auf Anfrage von yonu teilte die Stawag inzwischen mit, die Intention ihres Ökogas-Tarifs sei, „jenen Kundinnen und Kunden, die auf Erdgas angewiesen sind, Möglichkeiten zum Ausgleich ihres individuellen CO2-Footprints anzubieten.” Man nehme die geäußerte Kritik jedoch sehr ernst und werde deshalb die Produktkonzeption überprüfen und mit dem Anbieter der Zertifizierungen sprechen.

Auch zur Kritik, dass Erdgas nicht klimaneutral sein, sondern nur kompensiert werden kann, hat die Stawag inzwischen Stellung genommen. Man stelle in der Kommunikation „klar heraus, dass die Förderung, der Transport und die Verbrennung von Erdgas zwangsläufig mit der Emission von klimaschädlichen Gasen verbunden ist und unser Angebot nur einen Ausgleich durch CO2-Reduktion an anderer Stelle darstellen kann.“

Das stimmt: An mehreren Stellen auf der Stawag-Website finden sich solche Hinweise auf die klimaschädlichen Emissionen im Zusammenhang mit Erdgas, auch auf der Produktseite für Ökogas. Auf eben dieser Seite stand aber auch das Versprechen, als Kunde erhalte man „klimaneutrale Energie für Ihr Zuhause oder Ihr Unternehmen“. Dieser Satz wurde am Tag unserer Veröffentlichung ersatzlos gestrichen.

„Erdgas wird an Bedeutung verlieren”

Als Schlüsselpartner im Energiebereich spielt die Stawag eine wichtige Rolle auf dem Weg zum erklärten Ziel der Klimaneutralität Aachens bis 2030. Aktuell fokussiere man sich sehr stark auf die Umsetzung der Wärmewende im Schulterschluss mit der Stadt Aachen, teilte die Stawag mit. „Wir setzen hierbei vor allem auf einen Ausbau und eine Verdichtung des Fernwärmenetzes, die konkrete Umstellung der Wärmeerzeugung und individuelle Angebote von modernen Heizsystemen entsprechend der Regelungen des neuen GEG. Nach unserer Einschätzung wird Erdgas in den nächsten Jahren im Gebäudesektor weiter an Bedeutung verlieren.“

Trotz der ambitionierten Ziele wird es natürlich stets Restemissionen geben, die sich im Stadtgebiet nicht reduzieren lassen. Die Stadt Aachen steht dazu nach eigenen Angaben derzeit mit unterschiedlichen Beratern und Anbietern im Austausch und prüft Optionen der Kompensation.

Auch Jörg Bogoczek sieht Kompensation als alternativlos für einen gewissen Teil an Restemissionen. Den freiwilligen Kompensationsmarkt sieht er jedoch kritisch: „Eine Teilnahme am internationalen Zertifikatehandel lehnen wir als einfaches ,Freikaufen‘ ab. Oberste Priorität muss immer das Vermeiden von Emissionen haben.“

Um das Ziel der Klimaneutralität mit aller Kraft zu verfolgen, setzt die Stadt auch auf eine breite Kommunikation. Mit der Feier zum Klimastadtvertrag am 27. April fällt der Startschutz zu einer städtischen Klimakampagne unter dem Motto „Klimaschutz. Wir. Jetzt.“.  Über verschiedene Kanäle soll über die Aktivitäten in der Stadt informiert werden. Bürger*innen werden eingeladen, sich aktiv zu beteiligen.

Die von CORRECTIV angestoßene Recherche hat bereits für viel Wirbel gesorgt. Weitere Energieversorger haben wie die Stawag ihre Klimaneutralitätsversprechen von ihren Webseiten gelöscht. Rhein Energie hat mitgeteilt, seinen Ökogas-Tarif bis zur Verfügbarkeit „konkreter Projektüberprüfungsverfahren” zu pausieren. Die Deutsche Umwelthilfe hat gegen 15 Energieversorger rechtliche Schritte eingeleitet.

 

Dieser Beitrag wurde am 19. April um 11.10 Uhr aktualisiert.