Kommentar zur Podiumsdiskussion in Aachen mit AfD

Kommentar: Einladen oder ausschließen – zum schwierigen Umgang mit der AfD

Published On: 31. Mai 2024

In der Diskussion stellen – oder von der Diskussion ausschließen? Die IHK will politisch neutral sein und die AfD nicht von ihrer Wahlarena ausschließen. Doch es gibt auch gute Gründe, es anders zu machen.

Ein Kommentar von Alexander Plitsch

Die IHK lädt in die Wahlarena ein – mit dabei auf dem Podium: die rechtsradikale Kandidatin Irmhild Boßdorf (AfD). Für Veranstalter und die anderen Teilnehmenden stellen sich in so einem Fall immer wieder die gleichen schwierigen Fragen: Sollen wir die AfD überhaupt einladen oder lieber von der Debatte ausschließen? Sollen wir an einer Veranstaltung teilnehmen, zu der auch die AfD eingeladen ist?

Zum Hintergrund: Beitrag mit weiteren Infos zur Wahlarena

Die IHK begründet die Teilnahme der AfD damit, keine Partei bevorzugen oder benachteiligen zu dürfen. Tatsächlich ist die Kammer zur politischen Neutralität verpflichtet – da die Mitgliedschaft von Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben und nicht freiwillig ist, handelt es sich zweifellos um ein wichtiges Grundprinzip. Wahlempfehlungen und politisch einseitige Äußerungen sind den IHK-Verantwortlichen zurecht untersagt.

Aber ist die Nicht-Einladung einer bestimmten Partei gleichzusetzen mit einem Verstoß gegen dieses Neutralitätsgebot? Eine politische Breite in der Diskussion wäre sicher auch mit den anderen Teilnehmenden auf dem Podium gewährleistet. Und: Schulen in NRW, die ebenfalls politisch neutral sein müssen, haben sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Einladung der AfD entschieden. Zuletzt sogar in Aachen: Am Gymnasium St. Leonhard sollte ursprünglich auch die AfD an einer Podiumsdiskussion teilnehmen – ausgerechnet in Person von Irmhild Boßdorf – doch die Schule entschied sich kurzfristig um und lud die Kandidatin wieder aus.

Tatsächlich ist die Frage nicht leicht zu beantworten, welche Strategie im Umgang mit der AfD die bessere ist. Die AfD ist demokratisch gewählt und repräsentiert einen nicht unerheblichen Teil der Wähler*innen im Land – das spricht dafür, diese Perspektive in Debatten zu berücksichtigen. Das ist nicht zuletzt Ausdruck von Transparenz und Meinungsfreiheit.

Gegen eine Einladung der AfD zu politischen Veranstaltungen spricht, dass damit radikale und extreme Positionen normalisiert werden. Der AfD geht es darum, systematisch zu verschieben, was in Deutschland gesagt werden kann, was als „salonfähig“ gilt. Hinzu kommt, dass Veranstalter auch Verantwortung gegenüber ihrem Publikum haben. In unserer Gesellschaft gibt es viele Menschen, die aus guten Gründen Angst vor der AfD und ihren Positionen haben. Müssen wir Menschen mit Migrationsgeschichte wirklich zumuten, sich Frau Boßdorfs düstere Fantasien von „millionenfacher Remigration” bei einer Veranstaltung in Aachen anzuhören?

Ich kann die Position der IHK, gerade aus Gründen der angestrebten Neutralität, gut verstehen – komme aber selbst zu einem anderen Ergebnis: Ich finde, die AfD gehört auf kein Podium und in keine Talkshow im deutschen Fernsehen. Das für mich entscheidende Argument steckt in dem häufig zitierten Satz „Wehret den Anfängen”.

Bei der großen Demonstration gegen Rechts am 27. Januar hat Armin Laschet diesen Gedanken für mich auf den Punkt gebracht. Er hat aufgezeigt, wie es den Nazis 1933 gelungen ist, innerhalb von nur zwei Monaten die Demokratie in Deutschland abzuschaffen. Nein, die AfD ist nicht die NSDAP – aber wenn ich Frau Boßdorf reden höre, läuft es mir dennoch kalt den Rücken runter. Genau wie bei der Chronologie der Machtergreifung in Armin Laschets Rede (siehe Video).