Daniel Freund, Europaabgeordneter aus Aachen

✅ „Klimaschädliches Verhalten darf sich nicht mehr lohnen“

Published On: 26. April 2024

Drei Fragen an Daniel Freund, Europaabgeordneter der Grünen aus Aachen, zum EU-Verbot irreführender Werbung für angeblich klimaneutrale Produkte und das Zusammenspiel von Klimaschutz und Wirtschaft.

Als Partner einer CORRECTIV-Recherche haben wir über Ökogas-Tarife berichtet, bei denen Gasversorger mit nicht geeigneten CO2-Zertifikaten arbeiten. Dabei haben wir uns auch den Ökogas-Tarif der Stawag angeschaut und unter anderem kritisiert, dass er als „klimaneutrale Energie“ beworben wird. Zumindest an einer Stelle auf der entsprechenden Produkt-Website hat die Stawag diese Formulierung als Reaktion auf die Berichterstattung inzwischen gelöscht. Außerdem wolle man den Tarif und die eingesetzten Zertifikate prüfen, wie eine Sprecherin gegenüber yonu mitteilte.

Nach dem Willen der EU soll das Werben mit klimaneutralen Produkten für Unternehmen künftig deutlich erschwert werden. Ein entsprechendes Verbot irreführender Werbung hat das Europäische Parlament beschlossen. Wir haben darüber mit dem Aachener EU-Abgeordneten der Grünen, Daniel Freund, gesprochen.

yonu: Ist aufgrund der neuen EU-Regelung eine Werbung wie für den Ökogas-Tarif der Stawag künftig untersagt? Falls ja, weshalb befürworten Sie diesen Schritt?

Daniel Freund: Produkte und Dienstleistungen als klimaneutral oder umweltfreundlich zu bewerben, ist seit ein paar Jahren im Trend. Dabei herrscht besonders eine Gefahr: Greenwashing. Denn oft beruhen diese Behauptungen auf zwielichtigen Labels und Kompensationsmechanismen, bei denen der CO2-Ausstoß nicht reduziert, sondern lediglich ausgeglichen wird. Das ist problematisch, weil der Ausgleich durch Maßnahmen wie das Pflanzen von Bäumen nicht den tatsächlichen Schaden durch die Emissionen neutralisiert. Recherchen, wie von der ZEIT, haben zudem gezeigt: Das Geschäft mit Umweltzertifikaten ist höchst lukrativ und viele Kompensationsprojekte sind weitaus weniger klimafreundlich als angegeben.

Werbungen wie die für den Ökogas-Tarif der Stawag werden also künftig untersagt werden, wenn die Klimaneutralität nur durch CO2-Zertifikate erzielt wird. Klar, die Stawag darf weiterhin Werbung für ihre Produkte machen und darf selbstverständlich weiterhin in CO2-Zertifikate und Kompensationsprojekte investieren. Künftig dürfen solche Kompensationszahlungen aber nicht dazu führen, dass ein Erdgas-Tarif als klimaneutral bezeichnet werden darf und die Leute damit in die Irre geführt werden.

Wir Grünen haben schon lange gegen diese Form des Greenwashings gekämpft. Die Behauptung, dass ein Produkt klimaneutral sei, sollte dies auch wirklich bedeuten. Damit schützen wir Verbraucher*innen vor irreführenden Marketing-Strategien und einem Dschungel an intransparenten Labels und Zertifikaten.

 

yonu: Welche Rolle kann der freiwillige Kompensationsmarkt künftig noch spielen, nachdem inzwischen immer wieder aufgezeigt wurde, dass die CO2-Zertifikate ihre Versprechen nicht einlösen?

Daniel Freund: Zunächst einmal finde ich es immer eine gute Sache, wenn Privatpersonen und Unternehmen klima- und umweltschützende Projekte unterstützen. Inzwischen ist aber klar: Der freiwillige Kompensationsmarkt darf kein Ersatz für wahren Klimaschutz sein. Überall dort, wo Emissionen eingespart werden können, sollte dies auch geschehen. Dafür werden wir das Anreizsystem zur Einsparung von Emissionen verbessern (siehe nächste Frage).

Der Kompensationsmarkt kann insofern weiterhin eine Rolle spielen, wenn es um die Verbesserung der Umwelt- und Klimabilanz von – bislang – unvermeidbaren Emissionen, wie bspw. im Flugverkehr und in der Industrie geht. In solchen Fällen kann und sollte man versuchen, so gut es geht die Emissionen auszugleichen.

Dafür müssen Ausgleichsprojekte transparenter, ehrlicher und besser werden, sowie strenge Prüfungen durchlaufen, um sicherzustellen, dass sie tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Verbraucher*innen müssen dann mit den vollständigen Informationen ausgestattet werden.

 

yonu: Wie kann künftig sichergestellt werden, dass bei Energieversorgern Klimaschutzziele nicht durch wirtschaftliche Ziele konterkariert werden?

Daniel Freund: Um unsere Klimaziele zu erreichen und die Wirtschaft klimaneutral zu modernisieren, müssen Klimaschutz und wirtschaftliche Ziele enger miteinander verknüpft werden. In Zukunft darf es nicht mehr heißen, dass wirtschaftliche Interessen den Schutz des Klimas konterkarieren, sondern, dass wirtschaftliches Handeln auch klima- und umweltschonend zu handeln bedeutet.

Um dies zu erreichen, gibt es eine Reihe an wirtschaftspolitischen Instrumenten und Maßnahmen, die bereits wirken und die wir künftig noch weiter verbessern wollen. Mithilfe des CO2-Preises, der stetig erhöht wird, werden Produkte und Dienstleistungen mehr und mehr den wahren Preis widerspiegeln und somit das Verhalten von Produzenten und Konsumenten nachhaltig klimafreundlich verändern.

In diesem Zusammenhang braucht es endlich ein soziales Klimageld, dass die erhöhten Kosten, besonders für die unteren und mittleren Einkommensschichten, abfedert. Außerdem muss der Emissionshandel ausgeweitet und der Preis von erneuerbarem Strom von den steigenden Kosten des Emissionshandels entkoppelt werden. Somit wird sichergestellt, dass sich klimaschädliches Wirtschaften immer weniger lohnt und der Anreiz zur Innovation und zum Fortschritt immer höher wird.

Eine dritte Maßnahme ist die Förderung von erneuerbaren Energien, sowohl durch Förderprogramme als auch durch Bürokratieabbau und einen strategischen europäischen Ansatz. Dadurch soll sich der Umstieg auf und Einstieg in Erneuerbare für Energieversorger wirtschaftlich mehr lohnen und unsere Energieversorgung mittelfristig auf 100% Erneuerbare modernisiert werden. Dies sind nur ein paar Instrumente mit Hilfe derer die Wirtschaft so ausgerichtet wird, dass die externen Effekte von klimaschädlichen Wirtschaften in die Kosten eingepreist werden und sich klimaschädliches Verhalten, d.h. besonders die Förderung und Verwendung von fossilen Energien, nicht mehr lohnen.

 

Die Fragen stellte Alexander Plitsch

Titelbild: Daniel Freund im Gespräch mit französischen Journalist*innen (Foto: Brigitte Hase / Europäische Union – EP)