Aachens älteste Wohnhäuser stehen in Kornelimünster
Aachens derzeit bekanntes ältestes Wohnhaus steht im historischen Ortskern von Kornelimünster. Das haben aktuelle Bauforschungen der städtischen Denkmalbehörde ergeben.
Ein Beitrag der Stadt Aachen
Das Gebäude am Benediktusplatz 20 in Kornelimünster steht in seiner immer noch existierenden Grundsubstanz seit 1438. Im unmittelbaren Umfeld sind im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchungen weitere besonders alte Wohngebäude entdeckt worden. Sie gruppieren sich ebenfalls um den Ortskern in Kornelimünster und wurden auf die Jahre 1468, 1474, 1480, und 1490/91 datiert.
Die für die Aachener Baugeschichte neuen und bedeutenden Erkenntnisse hat Dr. Andreas Priesters von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Aachen gemeinsam mit Fachleuten des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) und dank der Erlaubnis der jeweiligen Eigentümer*innen, die Gebäude genauer unter die Lupe nehmen zu dürfen, herausgefunden. Priesters erläutert zum Gebäude Benediktusplatz 20: „Hinter der Steinfassade versteckt sich ein noch in Teilen spätgotisches Fachwerkhaus mit vollständig erhaltenem Dach, rückseitiger Giebelwand, Deckenbalken und Kamin. Bemerkenswert ist aber auch der barocke Umbau, zu dem auch die Steinfassade gehört, die wir heute sehen können.“
Doch wie gelingt es Experten wie Priesters überhaupt, ein fast 600 Jahre altes Gebäude so genau datieren zu können? „Wir greifen hier auf ein aufwendiges naturwissenschaftliches Verfahren zurück, sogenannte dendrochronologische Untersuchungen“, erklärt Priesters. Denn das Geheimnis des Alters können Fachleute am besten beim Blick tief in den Dachstuhl lüften. Die Dachstühle der genannten Gebäude in Kornelimünster stammen nämlich noch aus den mittelalterlichen Zeiten und sind gut erhalten.
„Bei der Dendrochronologie werden aus Balken Bohrkerne gezogen und im Labor ausgewertet. Die unterschiedlichen Abstände der darin ablesbaren Jahresringe des Baumes, aus dem die Balken hergestellt wurden, sind so spezifisch, dass man diese in regionale Chronologien einsortieren und im besten Fall so das Fälljahr des Baumes, das heißt den letzten gewachsenen Jahrring, definieren kann. Da die Hölzer in der Regel frisch verbaut wurden, erhält man damit auch ein Baujahr oder zumindest einen begrenzten Zeitraum, als das Holz verbaut wurde“, führt Priesters aus.
Heutige Steinfassaden kamen erst in der Barockzeit dazu
In Kornelimünster führten vor allem die Zerstörungen durch die Flutkatastrophe im Sommer 2021 dazu, dass viele Eigentümer*innen von betroffenen historischen Häusern in Kornelimünster mit der Denkmalbehörde in Kontakt kamen. In Folge von Bestandsaufnahmen und Sanierungsarbeiten erhielt der städtische Fachmann Priesters die Chance, direkt vor Ort Bauforschung zu betreiben – mit nun vorliegenden bemerkenswerten Ergebnissen.
„Gerade in Kornelimünster stellte sich dadurch heraus, dass die meisten Fassaden aus der Barockzeit, die wir heute sehen, einem deutlich älteren (Fachwerk-)Haus nur vorgestellt sind. Die Eichenholz-Dachstühle, Keller, hintere Fassaden und Innenstrukturen der ursprünglichen Bauten wurden trotz jüngerer Umbauten immer weiter genutzt und haben sich bis heute erhalten. Schließlich war Holz teuer. Ab dem 16. Jahrhundert fand dann ein zunehmender Ersatz der Fachwerkteile in Steinbauweise statt“, erklärt Andreas Priesters weiter.
Darum sind die Gebäude in Aachen selbst meist jünger
Und warum sind in der Aachener Innenstadt nicht ebenso alte Wohn- und Geschäftsgebäude in ihrer Grundstruktur erhalten geblieben? Monika Krücken, Leiterin der Aachener Denkmalbehörde, nennt den Grund: „In Aachen selbst ist – nach bisherigem Sachstand – kein Dach älter als 1656. In diesem Jahr brannten rund 90 Prozent im verheerenden Aachener Stadtbrand ab. Somit sind die Dachstühle und Holzwerke, die dann auch noch den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, in der Aachener Innenstadt rar gesät und nicht älter, ähnliches gilt für Burtscheid.“
Wenn es noch mittelalterliche Bausubstanz in der Aachener Innenstadt gibt, dann beschränkt sich diese – neben wenigen exponierten Bauten wie dem Dom, den erhaltenen Stadttoren, dem Rathaus und dem heute vom Zeitungsmuseum genutzten Gebäude in der Pontstraße – in der Regel auf Keller und Wände der Untergeschosse. Diese sind für Experten allerdings mitunter schwer zu datieren.
Mit den neuen Erkenntnissen aus Kornelimünster erweitert die städtische Denkmalbehörde in jedem Fall Aachens eh schon reiche Geschichte um weitere spannende Aspekte. Nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft die nun bekanntgewordene „Top 5“ der ältesten Wohnhäuser schon wieder aktualisiert werden muss. Denn: „Wir forschen, wo es uns möglich ist, weiter in Aachens historischem Gebäudebestand“, versichern Monika Krücken und Andreas Priesters.
Die Top 5
Das sind Aachens älteste derzeit bekannte Wohnhäuser. Die jeweiligen Entstehungsjahre der Gebäude sind durch dendrochronologische Untersuchungen festgestellt worden:
Auf dem Bild ist links das älteste Haus am Benediktusplatz 20 zu sehen, rechts die Plätze 2-4 am Korneliusmarkt (Fotos: Stadt Aachen / Stefan Herrmann).
1) Benediktusplatz 20 (1438): Hinter der Steinfassade versteckt sich ein noch in Teilen spätgotisches Fachwerkhaus mit vollständig erhaltenem Dach, rückseitiger Giebelwand, Deckenbalken und Kamin; bemerkenswert ist der barocke Umbau, zu dem auch die Steinfassade gehört.
2) Korneliusmarkt 54 (1468): Hinter der großen, zweigeteilten Steinfassade verbirgt sich ein weitgehender spätgotischer Fachwerkbau mitsamt Dachstuhl.
3) Korneliusmarkt 52 (1476): Eine unscheinbare, relativ schmale Steinfassade aus dem späten 18 Jahrhundert, dahinter verbirgt sich jedoch wie bei den Nachbarn ein spätgotisches Gebäude, das 1552 rückwärtig erweitert wurde
4) Korneliusmarkt 56 / Benediktusplatz 2 (1480): Ein in Kornelimünster bekanntes und prägnantes großes Fachwerk-Doppelhaus. Bereits in den 1980er Jahren ist es von Frau Prof. Schild mit Studierenden der RWTH untersucht worden. Es besticht durch die einzig sichtbare Fachwerkfassade im für städtische Fachwerkbauten typischen Aussteifungen der Gefache (die Flächen zwischen den senkrechten und horizontalen Balken) mit Andreaskreuzen.
Das Bild zeigt Platz 5 – das Haus am Benediktusplatz 24 (Foto: Stadt Aachen / Stefan Herrmann).
5) Benediktusplatz 24 (1490/91): Aus zwei Gebäuden zusammengewachsen; der rechte Hausteil mit Dachstuhl stammt im Kern aus den Jahren 1490/91, der linke Teil an der Ecke zur Korneliusstraße wurde um 1630 angebaut. Heute wird das Gebäude durch eine breite Fassade geprägt – unten mit vermutlich barocken Blausteinplatten, oben mit Jugendstilelementen.
Titelbild: Die Altstadt von Kornelimünster – hier stehen viele der ältesten Häuser Aachens (Foto: Stadt Aachen / Andreas Herrmann)