✅ Erst unterhaken, dann Lösungen entwickeln
„Ganz. Aachen. Hasst die AfD.“ Samstagmittag, 13 Uhr, rund 500 Menschen ziehen gemeinsam die Theaterstraße hinunter. Ganz Aachen? Vielleicht nicht. Aber deutlich ist das Statement der über 20.000 allemal, die sich im Laufe der folgenden Kundgebung in der Innenstadt versammeln.
Von Alexander Plitsch
„Die schweigende Mehrheit hat ihr Schweigen gebrochen – und das ist gut so“, sagt Elisabeth Paul von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft auf der Bühne auf dem Katschhof. Sie erinnert am Holocaustgedenktag an die Shoa und spannt den historischen Bogen bis zum Geheimtreffen der extremen Rechten in Potsdam im November 2023.
„Wir müssen aus der Mitte der Gesellschaft heraus stark sein“, zeigt sich auch Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen überzeugt und betont: „Jeder Mensch, der in Aachen lebt, egal wo er herkommt, ist bei uns willkommen.“
Zusammenstehen und unterhaken
Viele graue Haare, wenige Transparente, fast keine Sprechgesänge: Wer sich an diesem Samstag umschaut, kann keinen Zweifel daran haben, dass es insbesondere die bürgerliche Mitte ist, die sich auf den Weg gemacht hat. Nicht das typische Demo-Publikum vielleicht, aber nicht weniger entschlossen, heute ein Signal zu senden: Wir sind mehr.
Auch auf der Bühne werden zunächst Gemeinsamkeiten betont: Von Zusammenstehen und Unterhaken ist die Rede. Über Parteigrenzen hinweg müsse man zusammenhalten im Kampf gegen Rechts. Dafür steht auch die Politprominenz, die es an diesem Tag zu einem Kurzbesuch auf den Katschhof verschlägt – bevor am Abend im Eurogress der Orden wider den tierischen Ernst verliehen wird.
Der designierte Ordensritter Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, sagt, sein Bundesland sei nach Jahren mit der AfD im Landtag wieder eine „extremistenfreie Zone“. Das sei möglich, weil die Demokraten zusammengearbeitet und gezeigt hätten, dass man im Wettstreit der Argumente auch zu guten Lösungen für Probleme kommen könne.
Kritik am „Anbiedern“ der Parteien
Nur wenige Buh-Rufe und Sprechchöre stören den Auftritt von Daniel Günther, Armin Laschet, Julia Klöckner und Christian Lindner, die gemeinsam auf der Bühne stehen. Und doch wird zum ersten Mal deutlich: Bei allem demokratischen Zusammenhalt haben die Aachener auch Kritik an den großen Parteien im Gepäck.
Das zeigt sich auch in weiteren Wortbeiträgen, etwa von Aktivistinnen der Flüchtlingshilfe und von Fridays for future. Im Zentrum der Kritik: das „Anbiedern nach Rechts“ durch Politiker wie Olaf Scholz, demzufolge wir „in großem Stil abschieben“ müssen, oder Friedrich Merz, der die Deutschen vor Flüchtlingen schützen will, die ihnen Zahnarzttermine wegnehmen.
Welcher Eindruck bleibt zurück an diesem Samstag? Wie im ganzen Land sind auch die Menschen in Aachen bereit, für die Demokratie aufzustehen – quer durch die Gesellschaft. Aber: Sie erwarten, dass auch Regierung und Politik klare Strategien entwickeln, um einen drohenden Rechtsruck zu verhindern.
Eine Brandmauer gegen Rechts errichtet man nicht allein durch Zusammenstehen und Unterhaken, sondern vor allem mit einem konstruktiven politischen Diskurs und einem sichtbaren Streben nach gerechten und zukunftsorientierten Lösungen.
Fotos: Alexander Plitsch